(TEIL 1)
WO DIE EINEN VERSAGEN, FANGEN DIE ANDEREN AUF.
Solange wir einen bestimmten Umstand oder Zustand in unserem Alltag als Krise wahrnehmen, haben wir diesen noch nicht als Teil der Normalität in unsere Wahrnehmung integriert. Krisen stören, sie tun weh, weil sie nicht in die aktuelle Vorstellung dessen passen, wie es eigentlich sein sollte. Wie ein Schmerz im Körper uns darauf aufmerksam macht, dass etwas nicht stimmt, so sollten wir auch die Warnsignale gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Krisen nicht einfach übergehen oder als Teil des Lebens akzeptieren. Die Krise ist, ebenso wie der Schmerz, zuerst einmal ein Symptom für etwas anderes. Hinter der Krise drückt eine „Krankheit“ auf die Nerven und Blutbahnen des Zusammenlebens der Menschen.
Die immer noch nachhaltenden Krisen und Schmerzen um den nur mühevoll und unvollkommen aufgefangenen Zusammenbruch der Finanzsysteme wirken weiter. Sie tun dies nicht zuletzt, weil die Politik die Brandleger als Feuerwehr eingesetzt hat. Nun wundert man sich, dass die alten Methoden, die in die Krise geführt haben, schamlos weiter eingesetzt werden. Das System wurde geflickt und gestärkt. An das System selber aber hat sich kein gewählter oder ernannter Leader herangewagt. Selten werden Stimmen etwa nach einem neuen Bretton Woods laut, um die nach dem zweiten Weltkrieg entstandenen Strukturen der aktuellen Finanzpolitik und -wirtschaft an die neuen Wirklichkeiten der Weltfinanzen und -Wirtschaft anzupassen.
Auch die Umwelt stöhnt und macht sich stürmisch und orkanartig bemerkbar. Eine weitere Krise, die vor allem die Armen (weiter weg und stärker) zu spüren bekommen. Die Krise in Syrien hat eindrücklich gezeigt, dass Warten auf bessere Zeiten keine Lösung ist. Die vielen flüchtenden Menschen sprechen eine klare Sprache. Sie konnten nicht mehr ausharren. Und Europa will sich (noch) nicht öffnen. Der Konflikt schwelt und tut weh. Marathonsitzungen und Krisenstäbe legen die Überforderung derjenigen, die führen sollen und wollen offen zu Tage.
VON DEN ERNANNTEN UND UNBEKANNTEN LEADERN UNSERER ZEIT
Gäbe es da nicht das bürgerschaftliche Engagement und den humanitären Geist des “Samariters”, würden bald Notstand und Chaos herrschen. Zur Zeit fangen der gesunde Menschenverstand und das Aufstehen von einzelnen Menschen und Gruppen das auf, was die politisch und wirtschaftlich verursachten Systeme zerbrochen und als Scherben hinterlassen haben. Doch auch dieser Puffer für unzulängliches öffentliches Handeln stößt an seine Grenzen, insbesondere wenn die “ernannten” Leader die “unbekannten” Leader nicht mit ihrem Machtvorsprung unterstützen.
Neben vielen Mikro- und Makro-Ursachen für das Versagen in Politik, Wirtschaft, Finanzwesen, aber auch in Forschung und bei den Kirchen, wird hier die Diagnose gestellt, dass dieses Versagen vorrangig Ausdruck einer Leadership-Krise ist.
Ohne Ziel und Kompass kann man nicht führen.
Erny Gillen
(Fortsetzung folgt)